Tim Siepmann: Der Realist, dessen Traum real wird

Tim Siepmann ist kein Zweifler, kein Athlet ohne Selbstvertrauen. Trotzdem war Tim nie der Nachwuchssportler, der fest damit gerechnet hat, Profi zu werden. Warum er es trotzdem geschafft hat? Wir haben seinen Weg nachgezeichnet. Ein Weg, der geradlinig, aber auch ein bisschen außergewöhnlich ist.

Portrait Tim Siepmann
Vor fünf Jahren hätte ich nie gedacht, dass ein Podium im Europacup mal möglich ist.
Tim Siepmann

Tim Siepmann hat Mitte August des vergangenen Jahres beim Europacup-Rennen in Olsztyn (Polen) Rang zwei belegt. Es war aus zwei Gründen ein besonderer Wettkampf für den 23-Jährigen: Zum einen war es das erstes Podium in einem Europacup-Rennen seiner Karriere im Elitebereich. Zum anderen war es ein Ergebnis, das recht gut seine positive Entwicklung in den vergangenen Jahren aufzeigt.

Wenn Tim die Ergebnisliste des Wettbewerbes von Olsztyn durchgeht, dann findet er unter den zahlreichen Konkurrenten viele ihm bekannte Namen. Athleten, gegen die er zum Großteil schon seit Jahren Wettkämpfe bestreitet, gegen manche seit der Jugendzeit. Einige von ihnen standen in den diversen Ergebnislisten der diversen Wettkämpfe in den vergangenen Jahren stets vor Tim. Nun, da sich so langsam entscheidet, wem der Übergang vom Nachwuchsbereich in die Elite gelungen ist, und wem nicht, hat Tim sie in Olsztyn fast alle distanziert.

„Vor fünf Jahren“, sagt Tim, „hätte ich nie gedacht, dass ein Podium im Europacup mal möglich ist.“ Tim ist kein Zweifler, keinem dem das Selbstvertrauen fehlt, keiner, der sich kleiner macht, als er ist. Trotzdem war Tim nie der Nachwuchssportler, der fest damit gerechnet hat, Profi zu werden. Profi zu werden, war für ihn immer nur ein ferner Traum. Ihn hat eine realistische Sicht auf die Dinge ausgezeichnet. Er konnte es einordnen, wie groß die Chance als einer von vielen, vielen guten jungen Athleten ist, mal zu den Besten zu gehören. Was Tim neben dem nötigen Talent hat(te), und was vielleicht die Gründe sind, warum er seinen Weg gegangen ist: die nötige Unterstützung, das notwendige Glück, weitgehend von Verletzungen verschont geblieben zu sein, und die Gabe, nicht mit dem Kopf durch die Wand zu wollen.

„Sport war stets ein wichtiger Teil meines Lebens und dass Triathlon nun diesen besonderen Stellenwert einnimmt, stimmt mich sehr zufrieden“, sagt Tim. Als Zehnjähriger hat er von der Teilnahme an großen Radrennen geträumt. Bis er irgendwann merkte, dass es ihm noch mehr Spaß macht, wenn er nicht nur Rad fährt, sondern zusätzlich noch schwimmt und läuft.

Als Schüler eines Gymnasiums trainierte auf einem hohen Niveau, aber nicht auf dem höchsten. Sein Training richtete sich nach dem Stundenplan. Nicht andersherum. In den Sommerferien war trainingsfrei. Das alles bedingte, dass seine Leistungen sich nicht ganz so gut wie die mancher nationaler Konkurrenten entwickelten. Erst nach dem bestandenen Abitur wechselte Tim an den Stützpunkt nach Potsdam und schaffte 2017 dann erstmals die Qualifikation für internationale Meisterschaften. Bei der EM gewann er mit dem deutschen Team im Mixed Relay die Bronzemedaille.

Diese Phase seiner Karriere war sehr prägend für ihn. Nicht nur weil er erstmals den Luxus hatte, dass sein Leben vor allem aus Training, Essen und Schlafen bestand. Sondern auch, weil er es im Trainingslager vor der Junioren-WM 2017 übertrieb. Die Folge: Pfeiffersches Drüsenfieber. Tim hat aus dieser Zeit viel gelernt, die Zwangspause genutzt, sich damit auseinanderzusetzen, wie er seinen Alltag noch professioneller gestalten kann. Wenn man so will, hat er einen Rückschlag erlitten, der ihm geholfen hat, noch stärker zu werden. 2019 folgte dann ein starkes Jahr mit zwei Top-Ten-Ergebnissen im Europacup.

In der vergangenen Woche ist Tim wegen langwieriger Probleme im Schulter-/Armbereich operiert worden. Es ist die erste große Verletzung seiner Karriere, zwei Monate lang war er nicht mehr schwimmen. Die Erfahrungen von 2017 sollen ihm nun helfen, zurückzukommen. Stärker zurückzukommen. „Die Operation wirft mich zwar leistungstechnisch zurück, aber ich hoffe, dass ich ein besserer und ein noch kompletterer Athlet werde“, sagt Tim, der mittlerweile am Stützpunkt in Saarbrücken trainiert.

Er weiß, dass er wohl erst wieder im Spätsommer Wettkämpfe wird bestreiten können, sich gedulden muss. Tim ist keiner, der in einer Zwangspause resigniert. Er versucht stattdessen, nach vorne zu schauen, arbeitet weiterhin hart daran, sich in kleinen Schritten zu verbessern. Sein nächstes großes sportliches Ziel ist es, im Weltcup beständig Top-15- Ergebnisse zu erzielen. Das mag zwar gerade sehr weit weg sein. Aber das war ja sein erstes Europacup-Podium vor fünf Jahren auch noch.