„Manchmal übersehe ich auch eine Einbahnstraße“

Simon Jung ist bei von der Deutschen Triathlon gGmbH (DTgG) ausgerichteten Veranstaltungen Organisationsleiter, der unter anderem für die Planung der Strecken verantwortlich ist. Er hat uns im Interview erklärt, warum er sich immer in die Athleten hineinversetzt, warum er manchmal Einbahnstraßen übersieht, warum er manchmal einen Schreiner oder Gerüstbauer um Mithilfe bittet und mit welchen leichten Tricks er Athleten einen Gefallen tun kann.

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Die ersten Fragen sind immer: Wo ist der See? Wo ist der Fluss? Brauche ich zwei Wechselzonen?
Simon Jung

Simon, hast du bereits einen groben Streckenplan im Kopf, wenn du das erste Mal vor Ort bist?

Wenn ich die Örtlichkeiten schon einmal gesehen habe, kann ich es mir bildlich vorstellen und mache mir Gedanken. Oder ich schaue zuvor auf eine Karte. Aber das meiste entsteht vor Ort, wenn ich alles in Realität sehe.

Wie genau sieht deine Arbeit vor Ort aus?

Ich schaue mir die angedachten Flächen an, lasse sie auf mich wirken, mache Fotos, um mir das später noch einmal anschauen zu können. Die ersten Fragen sind immer: Wo ist der See? Wo ist der Fluss? Brauche ich zwei Wechselzonen? Oder reicht eine, was natürlich einfacher ist. Die angedachte Radstrecke fahre ich mit dem Auto ab und schaue mir die Laufstrecke zu Fuß an. So sehe ich, wie der Untergrund ist, wie es sich läuft. Schwimmen und Radfahren ist immer das Wichtigste bei der Planung. Laufen kriegt man immer irgendwie hin.

Was muss ich bei der Schwimmstrecke beachten?

Bei der Strecke an sich muss ich auf die Strömung achten, auf die Wassertiefe, die Frage klären, gibt es in dem See ein Naturschutzgebiet? Dann muss ich schauen, ob es einen natürlichen Einstieg in das Wasser gibt. Oder ob ich einen künstlichen Einstieg in Form einer Treppe oder eines Steges brauche, den ich mir von einem Schreiner oder Gerüstbauer bauen lasse.

Und was gilt für die Radstrecke?

Die Radstrecke ist der größte zeitliche Aufwand und von der Komplexität her am schwierigsten. Je länger die Distanz, desto weiter raus führt die Strecke aus dem Stadtgebiet - oder gar in eine andere Stadt oder einen anderen Landkreis hinein. Dann muss ich mich mit mehreren Stellen absprechen. In der Regel sind das die Ordnungsämter. Und jedes Ordnungsamt hat seine eigenen Regeln und Vorgaben. Irgendwie bekommt man die Radstrecke aber immer hin – oftmals mit Kompromissen.

Wenn du dir vor Ort die möglichen Strecken angeschaut hast, wie geht es dann weiter?

Nach dem Locationcheck setze ich mich an den PC. Dann kann ich über Kartendienste von oben auf die Strecken schauen. Ich zeichne die Strecken ein, schaue, wie komme ich auf die Distanzen. Mit dem Erstentwurf gehe ich dann zu den zuständigen Kommunen beziehungsweise Behörden. Dann kommen meistens Einschränkungen, weil der Streckenverlauf zum Beispiel Hotelzufahrten blockiert. Manchmal übersehe ich auch eine Einbahnstraße, weil man das auf dem PC-Programm so nicht erkannt hat. Den ersten perfekten Entwurf habe ich eigentlich nie.

Ist die Planung der Schwimmstrecke am einfachsten?

Ja. Es gibt nicht so viele Faktoren, die ich beachten muss im Vergleich zu einer Rad- oder Laufstrecke.

Welche Faktoren muss man bei einer Rad- oder Laufstrecke beachten?

Die Gefahrenstellen und die Frage, wie viele Athleten bekomme ich auf die Strecke. Es hilft, wenn ich mich in die Athleten hineinversetze. Als Athlet willst du nicht in einem Pulk fahren oder laufen. Du willst dein eigenes Rennen machen. Also planst du als Streckenplaner die Strecke so, dass sie dir als Athlet auch gefallen würde.

Wenn man so will hast du im Kopf also deutlich mehr Triathlons absolviert als in Wirklichkeit?

So ungefähr (lacht).

Wie lange dauert es von der ersten Streckenbesichtigung bis zur Fertigstellung eines Streckenplans?

Das ist unterschiedlich. Bin ich an dem Ort zum ersten Mal, dauert es länger. Das kann schon mal ein halbes oder dreiviertel Jahr dauern. Gibt es eine Vorgeschichte, ist die Planung in zwei Monaten möglich.

Wie schwierig ist es, alles so zu basteln, dass die Streckenlängen exakt passen?

Das ist eine Herausforderung. Ich habe ja bei der Streckenlänge eine Toleranz von bis zu plus/minus zehn Prozent. Eine Punktlandung klappt nicht immer. Ich tüftle immer herum und schaue, ob ich noch eine Schleife hinbekomme, sodass es dann eine Punktladung wird.

Ist es noch anspruchsvoller eine anspruchsvolle Streckenführung hinzubekommen?

Wenn es Hügel in der Nähe gibt, versuche ich die schon einzubauen. Ich persönlich mag es, Hügel oder Wellen einzubauen. Andere Planer wollen eine schnelle Strecke.

Wie wichtig ist die Zuschauerfreundlichkeit einer Strecke?

An erster Stelle kommt natürlich die Sicherheit der Athleten. Habe ich mehrere Gestaltungsmöglichkeiten, versuche ich natürlich die Strecke möglichst zuschauerfreundlich zu planen. Ich möchte die Sportart Triathlon ja möglichst gut präsentieren. Ein Beispiel: Wenn die Wechselzone eins außerhalb der Stadt ist, versuche ich die Wechselzone zwei in die Innenstadt zu legen, um den Athleten eine schöne und belebte Atmosphäre zu bieten.

Welche Fähigkeiten braucht man als Streckenplaner?

Logisches Denken, einen guten Orientierungssinn. Es macht Sinn, schon mal einen Triathlon absolviert zu haben. Das ist wichtig, um den Ablauf zu kennen, zu wissen, wie die Athleten ticken, was sie wollen. Und zeichnerische Fähigkeiten sind von Vorteil.

Gibt es für einen Streckenplaner die perfekte Strecke?

Den perfekten Streckenplan gibt es nicht. Es gibt schöne Strecken. Aber perfekt werden sie nie, weil zu viele Faktoren darauf Einfluss nehmen. Ich strebe den perfekten Streckenverlauf natürlich an und entwerfe diesen auch. Dann kommen von verschiedenen Seiten jedoch Einschränkungen. Und so bricht dann hier und da etwas von dem für sich selbst perfekten Konzept weg.

Weiß man erst nach dem ersten Rennen, ob eine Strecke funktioniert?

Genau. Ich schaue natürlich trotzdem jedes Mal, was ich verbessern kann – auch anhand des Feedbacks von Athleten. Bei einem Rennen war es zum Beispiel so, dass die Athleten auf den letzten Metern der Schwimmstrecke von der Sonne geblendet wurden. Dadurch haben sie die letzte Boje vor dem Schwimmausstieg nicht gesehen. Ich habe mir dann die Sonnenaufgangsdaten besorgt, habe gesehen, die Sonne steht so und so um die und die Uhrzeit. Ich habe dann den Winkel der Schwimmstrecke zur letzten Boje durch ein Verschieben von Bojen verändert. Zudem wurde der Start ein bisschen vorverlegt. Die Athleten wurden so nicht mehr geblendet und es gab kein schlechtes Feedback mehr.