Das Geschenk

Anne Hauck wollte 2020 ihre erste Langdistanz absolvieren. Dann kam Corona. Kurzerhand organisierten sie, ihr Mann und ihr Trainer eine Langdistanz zu Hause für sie. Eine Geschichte über einen Wettkampf für eine Person. Und eine Geschichte über Freundschaft.

Anne Hauck
Anne Hauck
Diese Menschen haben das Rennen zu etwas ganz Besonderem gemacht. Es hat mir vor Augen geführt, was für tolle Freunde und Bekannte wir haben, die uns unterstützt haben, solch ein Rennen in solch einer schwierigen Zeit auf die Beine zu stellen.
Anne Hauck

Es ist Sonntag, der 12. Juli 2020, kurz vor 17 Uhr. Eine junge Frau nähert sich laufend der Rosenhöhe, eine Erhöhung im Osten Darmstadts. Begleitet wird sie seit ein paar Minuten von einigen Menschen auf dem Rad. Sie feuern die junge Frau an, bis diese das Zielbanner auf der Rosenhöhe passiert hat. Zum Teil haben sie Kuhglocken zum Läuten und Krachmachen dabei. Passanten bleiben stehen und klatschen. „Es war ziemlich cool, dass die Leute solch ein Radau gemacht haben“, sagt die junge Frau.

Die junge Frau, Anne Hauck, ist rund elf Stunden zuvor, um sechs Uhr früh an jenem Sonntagmorgen, in einem kleinen See bei Darmstadt auf die erste Langdistanz ihres Lebens gestartet. Alleine. Es ist kein offizieller Wettkampf. Es ist ein von ihr, von ihrem Mann Thomas Hauck-Pignede, ihrem Trainer Felix Haupt und ein paar Freunden organisiertes Ersatzrennen für den aufgrund der Corona-Pandemie abgesagten Ironman Frankfurt.

Anne hatte immer großen Respekt vor einem Rennen über die Langdistanz. „Wenn ich die Leute auf dem abschließenden Marathon leiden gesehen habe, dachte ich mir immer: Das ist nichts für mich.“ 2019 änderte sich ihre Meinung. Thomas absolvierte den Ironman Frankfurt, qualifizierte sich überraschend für die WM auf Hawaii und sie merkte: Man kann eine Langdistanz auch schaffen, wenn man noch andere Verpflichtungen wie einen (Vollzeit-)Job hat und zudem im Verein engagiert ist. Und eine Langdistanz zu absolvieren heißt auch nicht automatisch, auf der Marathonstrecke zu leiden.

Sie sicherte sich einen der letzten Startplätze für den Ironman Frankfurt 2020 und begann, sich auf das Rennen vorzubereiten. Doch dann kam Corona. Und Anne, Thomas und Felix war recht schnell klar: es ist unwahrscheinlich, dass der Ironman Frankfurt 2020 stattfindet. Deshalb entwickelten sie während eines Urlaubs im Allgäu, den man durchaus auch als Trainingslager titulieren kann, einen Plan B, der bald zum Plan A werden sollte: ein selbst organisierter Wettkampf vor der Haustür. Sie suchten nach dem perfekten Termin, tüftelten an den Strecken und weihten ein paar wenige Freunde ein, deren Unterstützung sie benötigten. Logistisch war es durchaus ein herausforderndes Projekt: zwei Wechselzonen, drei Strecken, mehrere Verpflegungsstellen.

Und so stand Anne an jenem 12. Juli um kurz vor sechs Uhr morgens an der Grube Prinz von Hessen. Aufgeregt, weil etwas vor ihr lag, was sie noch nie gemacht hatte (sie hatte noch nicht einmal eine Mitteldistanz absolviert). Aber auch aufgeregt, weil sie sich auf diese spezielle Herausforderung freute. Für Anne war es wie ein Geschenk, in diesem so schwierigen Jahr dieses eine Rennen gegen sich selbst absolvieren zu dürfen. Sie, aber auch ihr Mann, sprechen auch rund ein halbes Jahr später noch voller Begeisterung von dem Ereignis. Man merkt: Es war speziell für Anne ein besonderer Tag. Aber es war auch für sie beide gemeinsam ein besonderer Tag.

Thomas informierte in den Wochen vor dem Rennen ein paar Menschen mehr als abgesprochen („Anne wollte nicht, dass zu viele Leute davon wissen“). Die Anzahl der Unterstützer vor Ort war aufgrund der Coronaverordnungen zwar gering im Vergleich zu den sonst üblichen Zuschauermassen einer Ironmanveranstaltung. Aber trotzdem schafften es diese wenige Menschen, das Rennen und vor allem die letzten Kilometer samt Zieleinlauf für Anne zu etwas Unvergesslichem zu machen. Sie wurde nicht nur auf den letzten zwei Kilometern ins Ziel begleitet, es gab auch einen selbstgemachten Siegerkranz und ein Zielbanner mit dem Aufdruck IRONANNE.

Wenn man Anne fragt, was nun das Besondere an dem Tag war, dann spricht sie natürlich davon, dass es ein Rennen wie gemalt war, dass es toll war, das Ziel in unter elf Stunden zu erreichen (10:50:13 Stunden), dass sie es genossen hat, einmal im Mittelpunkt zu stehen („Alle waren nur für mich da!“). Sie spricht aber auch davon, wie viel es ihr bedeutet hat, diesen Tag mit einigen ihr wichtigen Leuten zu teilen. „Diese Menschen haben das Rennen zu etwas ganz Besonderem gemacht. Es hat mir vor Augen geführt, was für tolle Freunde und Bekannte wir haben, die uns unterstützt haben, solch ein Rennen in solch einer schwierigen Zeit auf die Beine zu stellen.“

Du hast auch eine tolle, spannende oder witzige Geschichte zu erzählen, wie du zum Triathlon gekommen bist? Oder Verletzungen/Krankheiten oder besondere Momente/Ereignisse haben dich erst recht angespornt, (weiter) aktiv zu sein? Dann schreibe uns eine E-Mail an medien@dtu-info.de. Und vielleicht erscheint hier bald deine Geschichte.