„Habe es oft erlebt, dass mir weniger zugetraut wird, weil ich eine Frau bin“

Marlene Gomez-Göggel ist nicht nur als Triathletin erfolgreich, sie macht sich auch viele Gedanken zum Thema Gleichberechtigung – auch, weil sie mit dem Thema immer wieder konfrontiert wird. Wir haben mit ihr über unangenehme Situation für Frauengruppen beim Training, verpasste Chancen und die Vorbildfunktion von jüngeren Generationen gesprochen.

Marlene Gomez-Göggel
Frauen trauen sich zu wenig zu, vor allem in Bereichen, die als männerdominiert gelten wie zum Beispiel technische Berufe, Sport oder Politik.
Marlene Gomez-Göggel
Marlene Gomez-Göggel
Marlene Gomez-Göggel

Marlene Gomez-Göggel ist nicht nur als Triathletin erfolgreich, sie macht sich auch viele Gedanken zum Thema Gleichberechtigung – auch, weil sie mit dem Thema immer wieder konfrontiert wird. Wir haben mit ihr über unangenehme Situation für Frauengruppen beim Training, verpasste Chancen und die Vorbildfunktion von jüngeren Generationen gesprochen.

Marlene, du hast Ende des vergangenen Jahres deinen Freund und Trainer Fabian Göggel geheiratet. Auch wenn es schon ein bisschen her ist: Glückwunsch dazu.

Vielen Dank.

Du hast dich für einen Doppelnamen entschieden; ein Akt der Gleichberechtigung?

Ja, auch. Ein Name ist auch immer Teil einer Identität. Es wäre mir sehr schwer gefallen, meinen Namen ganz abzugeben, weil er eben sehr mit meinem bisherigen Leben und mir als Person verknüpft ist.

Ich habe mich für den Doppelnamen entschieden, weil ich so einen Teil meiner eigenen Identität behalten und zugleich zeigen kann, wir gehören zusammen. Im Endeffekt war ich mit einer Sache konfrontiert, die Jahrtausende alt ist: Frauen nehmen den Namen ihres Mannes an. Ich habe sehr lange Zeit darüber nachgedacht, bevor ich mich entschieden habe. Mein Mann hat mich da nicht beeinflusst.

Glaubst du, solltet ihr mal eine Tochter haben, dass sie sich ähnlich viele Gedanken zur Wahl des Nachnamens nach einer Hochzeit machen muss?

Ich hoffe, dass es bis dahin normaler ist, dass Frauen ihren Namen behalten.

Am 8. März war Weltfrauentag. Ist das aus deiner Sicht ein wichtiger Tag, um die Gleichberechtigung ins Gedächtnis zu rufen oder ein Tag, der eigentlich überflüssig sein sollte?

Beides. Er ist wichtig, weil im Bereich der Gleichstellung und Gleichberechtigung noch viele Probleme bestehen und diese angegangen werden müssen. Solch ein Tag ist gut, um aufzurütteln. Aber: Wir sollten als Gesellschaft irgendwann an dem Punkt angelangt sein, an dem die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern erreicht und selbstverständlich sein sollte. Bis dahin ist es gut, wenn darüber gesprochen wird.

Die Deutsche Triathlon Union stellt weiterhin fest, dass mehr Männer als Frauen an Wettkämpfen teilnehmen. Welchen Tipp hast du für Frauen?

Einen ganz einfachen: einfach machen. Frauen trauen sich zu wenig zu, vor allem in Bereichen, die als männerdominiert gelten wie zum Beispiel technische Berufe, Sport oder Politik. Daher halten sich viele Frauen aus diesen Bereichen fern, obwohl sie es eigentlich könnten. Sie lassen dadurch Chancen und auch Erfolge aus. Das finde ich sehr schade.

Ich fände es toll, wenn in diesen Bereichen viel mehr Frauen aktiv wären, sich nicht von stigmatisierten Thesen beeinflussen lassen würden, weil Bereiche als männlich oder körperlich hart angesehen werden.

Frauen müssen also mutiger werden?

Mich ärgert der Begriff Mut in diesem Zusammenhang. Das klingt, als müssten Frauen etwas Besonderes beweisen. Dabei geht es darum, eine Barriere im Kopf zu überwinden. Frauen können im Ausdauerbereich ebenso gute Leistungen erbringen. Sie müssen sich hier nicht hinter Männern verstecken. Frauen dürfen sich nicht in eine Opferrolle begeben, sondern müssen mehr wagen.

Wenn man dir so zu hört, merkt man, dass du dich intensiv mit diesem Thema befasst.

Das stimmt. Ich habe es selbst schon sehr oft erlebt, dass mir weniger zugetraut wurde, nur weil ich eine Frau bin. Zum einen, was das Intellektuelle, zum anderen was die sportliche Leistungsfähigkeit betrifft. Was ich besonders schlimm finde: Es ist leider immer noch so, dass einem als Frau hinterhergerufen oder gepfiffen wird, wenn man in kurzer Hose und T-Shirt laufen geht. Das finde ich sehr, sehr schade. Wenn man in seinem eigenen Alltag regelmäßig mit solchen Dingen konfrontiert wird, denkt man natürlich viel darüber nach, versucht, sich weiterzubilden, zu erfahren, wie sich die Rolle von Frauen im Laufe der Jahrhunderte verändert hat. Meiner Meinung nach muss noch mehr darüber geredet werden, um das Thema noch mehr in das Bewusstsein der Leute zu bringen.

Hast du die gerade beschriebenen Situationen auch im bzw. durch Triathleten erlebt?

Im Triathlon direkt habe ich so etwas noch nicht erlebt. Das kann Zufall sein. Es kann aber auch sein, dass die Umgangsformen im Triathlon generell andere sind. Ich nehme es auf jeden Fall so wahr, dass im Triathlon ein sehr hohes Level an Respekt vorherrscht.

Tauscht du dich mit anderen Triathletinnen darüber aus?

Ja, sehr oft. Ich trainiere am Stützpunkt in Potsdam in einer reinen Frauengruppe. Wenn wir Laufen oder Radfahren sind, werden wir regelmäßig von Autofahrern angehubt oder bekommen einen blöden Kommentar zugerufen. Was mich dabei am meisten aufregt ist, dass es keine direkte Konfrontation gibt, wir keine Chance haben, etwas zu entgegnen. Die Typen sagen etwas und wissen, dass sie sich aufgrund der hohen Geschwindigkeit, mit der sie an uns vorbeifahren, sowieso keiner Konfrontation stellen müssen.

Generell müsste sich gesellschaftlich in dieser Hinsicht etwas ändern.

Die Gesellschaft muss für solche Dinge noch viel mehr sensibilisiert werden. Diese Umgangsformen müssen auch vorgelebt werden. Wer diese nicht vorgelebt bekommt – und das betrifft Frauen übrigens genauso wie Männer – bei dem brennt sich das ein. Auch viele Frauen finden es nicht gut, dass eine Frau ein Männer-Fußballspiel im Fernsehen überträgt. Es wird ein langer und steiniger Weg, was die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern angeht. Es gibt da keine Abkürzung mittels einer Zauberformel.

Ich glaube, wenn wir viel darüber sprechen, kann das helfen. Ich merke das selbst in Gesprächen mit Männern, merke, dass sie sich manchmal gar nicht bewusst sind, etwas zu tun, was Frauen gegenüber zum Bespiel verletzend ist.

Kannst du ein Beispiel dafür nennen?

Männer, gerade in einer großen Gruppe, rufen gerne vorbeilaufenden Frauen etwas hinterher. Das ist eine abwertende Behandlung von Frauen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man als Frau, wenn man auf eine Gruppe von Männern zuläuft, überlegt, ob man nicht lieber einen Umweg macht. Nur um dieser unangenehmen Situation zu entgehen. Wenn sich Männer, mit denen ich unterwegs bin, so verhalten, dann spreche ich das an.

Was hat sich deiner Meinung nach beim Thema Gleichstellung in den vergangenen Jahren zum Positiven verändert?

Mir fällt auf, dass die jüngere Generation, also die Unter-25-Jährigen, für dieses Thema deutlich besser sensibilisiert ist als etwa meine Generation (Marlene ist 28, Anm. d. Red.). Ich denke #MeToo und auch die Beiträge von Influencerinnen zu diesem Thema haben Wirkung gezeigt. Dadurch ist Gleichstellung viel mehr ins Bewusstsein dieser Generation gerückt.

Auch jeder Einzelne kann zu mehr Gleichberechtigung beitragen.

Stimmt, es beginnt mit dem eigenen Verhalten. Ich würde mir auch im Triathlon wünschen, dass – gerade was das Personal im Leistungssportbereich angeht, mehr Frauen aktiv sind. Frauen werden von solchen Stellen natürlich nicht per se ausgeschlossen, es fällt allerdings auf, dass Stellen in der Sportwissenschaft oder etwa als Sportdirektor in der Regel von Männern besetzt sind. Dabei würden Frauen neue Sichtweisen mitbringen.

Woran liegt es?

Sie trauen es sich nicht zu. Und Frauen müssen – das ist statistisch erwiesen – viel mehr leisten, um eine gleichwertige Position zu bekommen und auch länger auf eine Beförderung warten. Hier muss ein Umdenken stattfinden.