„Die Sportler schwitzen so, dass die Hosen rutschen“

Heute in einem Jahr beginnen in Tokio die Paralympischen Spiele (25. August bis 6. September 2020). Para-Bundestrainer Tom Kosmehl war mit seinen Athleten für ein Trainingslager und einen Weltcup in Japan – auch, um die klimatischen Bedingungen vor Ort kennenzulernen. Im Interview mit Thorsten Eisenhofer und Jonas Klee erzählt Kosmehl, warum man die Klamotten schon drei Meter vom Hotel entfernt wieder hätte wechseln können, warum Strumpfhosen bei der Kühlung helfen und warum für Einkäufe nicht jeder Supermarkt geeignet war.

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ITU World Triathlon Grand Final Rotterdam 2017, Paratriathlon, Max Gelhaar, GER #325, , Photo: JoKleindl/DTU
Aber was 80 Prozent Luftfeuchtigkeit wirklich bedeuten, merkt man erst vor Ort: Du gehst drei Meter vor das Hotel und kannst eigentlich wieder zurückgehen und deine Klamotten wechseln.
Tom Kosmehl

Wegen einer erhöhten Konzentration von E.coli-Bakterien im Wasser ist beim Weltcup das Para Triathlon-Rennen als Duathlon durchgeführt worden. Wie ärgerlich war das?

Wir hatten gar keine Zeit, uns zu ärgern. Die Informationen kamen sehr kurzfristig. Am Morgen des Wettkampfes wurden die Sportler gegen 4.30 Uhr per E-Mail benachrichtigt, dass um 6.30 Uhr anstatt eines Triathlons ein Duathlon stattfindet. Zudem wurde auch der Ablaufplan der sechs Startklassen komplett verändert. So mussten zum Beispiel die Rollstuhlfahrer eine halbe Stunde eher starten. Es ging insgesamt also drunter und drüber (lacht). Wir konnten aber auch niemandem böse sein. Es gibt nun mal Regeln. Zum Glück war es ja ein Testwettkampf.

Wie sind die Athletinnen und Athleten damit umgegangen?

Alle sind damit sehr professionell umgegangen. Martin Schulz hat beispielsweise gesagt: Es ist ein Testevent. Wir wollten die Bedingungen testen. Und jetzt haben wir sie getestet. Für Martin war es tatsächlich sein erster Duathlon. Trotz seiner langen Karriere wusste er nicht so richtig, was auf ihn zukommt. Aber er ist relativ entspannt in das Rennen gegangen und hat es gut gemeistert.

Die Wasserqualität war nicht die einzige Herausforderung in Tokio. Wie seid ihr mit der Hitze zurechtgekommen?

Uns war schon im Vorfeld klar, dass die Bedingungen in Tokio mit keinen der vorherigen Paralympischen Spiele vergleichbar sein würden. Wir haben uns in Seminaren und Workshops mit der Hitze und der Luftfeuchtigkeit auseinandergesetzt. Aber was 80 Prozent Luftfeuchtigkeit wirklich bedeuten, merkt man erst vor Ort: Du gehst drei Meter vor das Hotel und kannst eigentlich wieder zurückgehen und deine Klamotten wechseln. Die Luftfeuchtigkeit sorgt dafür, dass man wahnsinnig viel Flüssigkeit verliert.

Beeinträchtigt das die Athlet*innen?

Im Ausland ist man als Hochleistungssportler bei Themen wie Hygiene, Trinkwasserqualität oder Essen erstmal vorsichtig. Dazu kamen in Tokio noch die Hitze, der Smog und die Luftfeuchtigkeit. Beeinträchtigen würde ich nicht sagen. Aber eine Anpassung ist notwendig.

Wie sieht diese aus?

Wir haben am Tag zwischen fünf und acht Liter Wasser getrunken. Das muss der Körper allerdings wieder loswerden. Und zwar über Schweiß. Martin hat berichtet, dass bei ihm nach ungefähr einer Woche eine körperliche Anpassung stattgefunden hat. Er hat beim Sport gemerkt, dass er in Kombination mit der Kühlung etwas weniger geschwitzt hat. Und er hat dadurch etwas weniger gerochen (lacht).

War bei diesen Bedingungen überhaupt ein normales Training möglich?

Wir haben häufig morgens um 5 Uhr angefangen, bei knapp unter 30 Grad. Martin und viele andere Sportler sind ohne T-Shirt und mit Trinkflasche gelaufen. Nach zehn Minuten war trotzdem alles klitschnass. Teilweise haben die Sportler so geschwitzt, dass ihnen die Hose runtergerutscht ist (lacht). Wir haben zudem auch nachmittags und abends trainiert. Irgendwie geht es schon. Viel trinken, ist bei diesen Bedingungen einfach extrem wichtig.

Dann habt ihr eine Menge Wasser gebraucht?

Wir waren 14 Personen vor Ort. Weil jeder fünf bis acht Liter pro Tag trinkt, mussten wir alle zwei Tage 140 Liter Wasser besorgen. Das war gar nicht so einfach, weil nicht jeder Supermarkt so viel Wasser vorrätig hat. Glücklicherweise haben uns die Hotel-Angestellten sehr geholfen. Der Manager ist mit uns einige Male einkaufen gefahren. Überhaupt waren alle sehr nett und zuvorkommend. Es gab dort kein nein. Alles lief nach dem Motto: Machen wir nicht, gibt es nicht. Mit den Bedingungen vor Ort mussten aber nicht nur wir fertig werden. Denn auch die Japaner schwitzen natürlich (lacht).

Welche Schlüsse kannst du aus der Zeit in Japan ziehen?

Zum einen ist es ein Vorteil, dass die Sportler jetzt die Wege vor Ort kennen und sich orientieren können. Die Wettkampfstrecke ist nur vier Kilometer vom Paralympischen Dorf entfernt. Einige haben da beim Dauerlauf schon vorbeigeschaut. Das führt im kommenden Sommer zu einer entspannteren Situation. Zum anderen war die Vorbereitung und die Durchführung des ganzen Kühl-System-Themas sehr wichtig. Jeder Athlet hat seine individuellen Präferenzen und konnte diese vor Ort testen.

Welche sind das zum Beispiel?

Wir haben im Vorfeld beispielsweise Kühl-Westen und Kühl-Caps während des Laufens ausprobiert. Wir haben auch Eiswürfel in der Radflasche oder den Trinkflaschen getestet. Diese Dinge haben wir natürlich auch während des Wettkampfs ausprobiert. Jede Nation entwickelt dabei seine ganz eigenen Ideen: Die Amerikaner beispielsweise haben sich aus Strumpfhosen Kühl-Akkus gebaut, die sie sich um den Hals gelegt haben.

War das denn während des Wettkampfes erlaubt?

Beim Testevent wurden einige Regeln gelockert. Wir Betreuer durften zum Beispiel kurz vor dem Start noch an die Radflaschen der Athleten und diese mit Eis oder kaltem Wasser auffüllen. Von den Athleten kam später die Rückmeldung, dass das Wasser schon wieder eine normale Temperatur hatte (lacht). Weiterhin durften benutzte Flaschen oder Gel-Verpackungen einfach weggeworfen werden. Neben Cool-Stations, mit Wasser-Ventilatoren und Ice-Packs, durften Trainer aus der Coaches-Area individuelle Getränke oder Kühlungen reichen. Das Thema Kühlung wurde sehr professionell seitens der Organisatoren angegangen und umgesetzt.