"Was lerne ich daraus, Erste zu werden?"

Zehn deutsche Athletinnen und Athleten starten am Samstag beim Europacup in Quarteira (Portugal) über die Olympische Distanz (1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren, 10 km Laufen). Während es für die Frauen bereits um 12:45 Uhr deutscher Zeit losgeht, sind die Männer ab 15:30 Uhr gefordert. Das DTU-Aufgebot umfasst neben Annika Koch, Anabel Knoll, Caro Pohle, Johannes Vogel, Simon Henseleit, Justus Nieschlag, Eric Diener, Maximilian Sperl und Arne Leiss auch Lisa Tertsch.

Wir haben mit der 23-Jährigen aus Darmstadt über das EC-Rennen, Ziele fernab von Platzierungen, gute und nicht ganz so gute Zeiten sowie Freude am Lernen gesprochen.

Lisa Tertsch
Ich merke einfach, dass mir etwas fehlt, wenn ich keine Beschäftigung für den Kopf habe. Ich brauche diesen Ausgleich, um in Balance zu bleiben.
Lisa Tertsch

Lisa, was nimmst du dir für den Wettkampf am Samstag vor?

Ich möchte Erfahrung sammeln und ein gutes Rennen machen.

Athletinnen und Athleten setzen sich oftmals Platzierungen als Ziel. Du nicht. Warum?

Ich kann ein schlechtes Rennen machen und gewinnen. Und ich kann ein Toprennen abliefern und Fünfte werden. Ich entwickle mich nicht durch Platzierungen weiter, sondern wenn es mir gelingt, bestimmte Dinge im Wettkampf umzusetzen.

Früher habe ich mich mehr auf Platzierungen fokussiert. Aber ich habe einfach gemerkt, dass es mir nicht so viel bringt.

Wenn ich das Ziel habe, Erste zu werden und dann Erste werde, was habe ich daraus gelernt? Nicht viel. Ich brauche jedenfalls bestimmte Zielsetzungen während des Wettkampfes, die ich erreichen will, um nach einem Rennen zufrieden zu sein. Aber natürlich freue ich mich, wenn ich das Rennen am Samstag mit einem Platz auf dem Podium beenden sollte.

Einen Wettkampf hast du in dieser Saison bereits absolviert. Beim Hallen-Europacup in Lievin bist du Zweite geworden. Mit was warst du nach dem Wettkampf zufrieden?

Mir ging es darum, nach über vier Monaten mal wieder einen Wettkampf zu absolvieren und vor allem die Wechsel unter Wettkampfbedingungen zu üben. Ich bin zufrieden, wie es gelaufen ist.

Welche Erwartungen hast du für die Saison 2022?

Ich möchte ein bisschen besser sein als im vergangenen Jahr. Das sollte mir gelingen, auch weil 2021 manches nicht so lief, wie ich mir das vorgestellt hatte.

Ich wäre dieses Jahr gerne bei der EM in München dabei und würde gerne einige Rennen der World Triathlon Championships Series (WTCS) absolvieren. In der WTCS habe ich, auch bedingt durch Wettkampfabsagen in der Corona-Pandemie, erst wenige Wettbewerbe absolviert.

Du hast die vergangene Saison angesprochen. Hast du lange mit deren Verlauf gehadert?

Ich habe mir 2021 anders vorgestellt, vor allem mit Blick auf das Abschneiden bei der internen  Olympia-Qualifikation und bei der U23-WM.

Aber es war auch vieles gut, ich bin Deutsche Meisterin geworden, das ist einiges wert, habe in Abu Dhabi im November ein gutes WTCS-Rennen gemacht (Lisa belegte Rang 22, Anm. d. Red.). Generell muss man sich eingestehen, dass es im Sport nicht immer nur bergauf geht. Und daraus lernt man am Ende oft mehr als aus Siegen.

Bergauf ging es für dich vor allem in deiner ersten Saison nach deiner Triathlon(wettkampf)pause. 2019 hast du ein Weltcup- und mehrere Europacuprennen gewonnen.

Ich habe mir die Rückkehr schwerer vorgestellt. Aber ich habe ja auch keine Sportpause gemacht, sondern mich einfach mehr dem Laufen gewidmet. Und ich bin ja nicht plötzlich wieder aufgetaucht, sondern zuvor viel in den USA bei Laufwettkämpfen gestartet, was in Deutschland nicht so wahrgenommen wurde.

Im vergangenen Jahr hast du deinen Bachelor an der Elite-Universität Harvard abgeschlossen, im vergangenen Herbst hast du deinen Master in Harvard begonnen. Du brauchst das Nebeneinander von Sport und Studium, oder?

Ich merke einfach, dass mir etwas fehlt, wenn ich keine Beschäftigung für den Kopf habe. Ich brauche diesen Ausgleich, um in Balance zu bleiben. Für mich ist das keine zusätzliche Belastung, sondern macht mir viel Spaß und bereitet mir Freude.