„Es gibt Indizien, die aufzeigen, wie die Chancen für eine Karriere stehen"

Thomas Moeller begleitet als Bundestrainer Nachwuchs der Deutschen Triathlon Union (DTU) seit Jahren Talente von ihren ersten größeren Rennen bis in den Elitebereich. Wir haben mit ihm über die richtige Ausbildung, über den besten Zeitpunkt für erste Erfolge und über den Wert von Titeln gesprochen.

2021 EM Kitzbühel Staffel
Thomas Moeller
Meiner Meinung nach ist es nicht förderlich, wenn eine Athletin oder ein Athlet zu früh zu gut ist
Thomas Moeller

Thomas, was ist aus deiner Erfahrungen nach ein guter Weg für junge Athletinnen und Athleten, wenn sie im Elitebereich erfolgreich sein wollen?

Theoretisch gibt es viele Wege in den Leistungssportbereich in der Sportart Triathlon. Eine solide, hochwertige Grundausbildung im Schwimmen ist dabei allerdings extrem wichtig, um im olympischen Bereich mit den besten mitzuhalten.

Wenn sie oder er im Landeskader ist und bei Deutschen Meisterschaften der Jugend A ein Top-15-Ergebnis erzielt, ist das wunderbar. Bei einer DM der Jugend B muss man nicht mal zwangsläufig dabei sein, sollte dann aber bereits im Schwimmen oder im Laufen aktiv sein. Gegebenenfalls kann auch ein noch späterer Einstieg in den Triathlon erfolgreich sein, wenn das Schwimmen noch erlernt werden kann oder schon sehr gut ausgebildet wurde und eine gewisse Belastungsverträglichkeit für das Laufen vorhanden ist.

Welchen Tipp würdest du einem 15-jährigen Talent mitgeben?

Wenn jemand Bock auf Triathlon hat und sich weiterentwickeln möchte, würde ich raten, eine gute Trainerin beziehungsweise einen guten Trainer zu suchen, um vor allem im Schwimmen Fortschritte zu machen. Ob man samstagabends feiern geht oder lieber sonntagmorgens ins Training, solche Tipps gibt es von mir nicht. Das ist die Entscheidung jeder Athletin und jedes Athleten. Für die, die es schaffen wollen, ist es kein Verzicht, etwas nicht zu machen, da sie große Freude am Leistungssport empfinden und sie gerne mit Gleichaltrigen gemeinsam trainieren.

Was würdest du Eltern eines Talents raten?

Vorteilhaft ist es, wenn Eltern ohne Druck den Weg ihres Kindes begleiten. Im besten Fall haben sie selbst früher einmal etwas Erfahrung im Leistungssport sammeln können und können so bestmöglich bei der Steuerung von Schule und Sport unterstützen. Sie sollten sich dabei bemühen, möglichst im Hintergrund zu bleiben, um keinen Druck bei den Kindern zu erzeugen. Der einfachste Weg für eine junge Athletin oder einen jungen Athleten ist, ab der Oberstufe die Möglichkeit der Schulzeitstreckung an einem Bundesstützpunkt oder Landesstützpunkt in Anspruch zu nehmen. Natürlich kann man auch an einer normalen Schule bleiben, aber die Belastung durch Schule, Training und Wettkampfreisen ist dann im Alter von 17, 18 Jahren schon sehr hoch. Außerdem sollten sich Eltern regelmäßig fragen, wie sie den Weg ihres Kindes bestmöglich fördern können.

Eine entscheidende Rolle spielen am Anfang die Vereine. Veranstaltungen wie die Triathlon-Schultour oder Jugend trainiert für Olympia helfen, dass immer wieder Kinder und Jugendliche den Weg in Vereine finden.

Erkennst du bei Rennen des DTU-Jugendcups der Altersklasse Jugend B und Jugend A, wer es später mal schafft?

Es gibt zumindest ein paar Indizien, die aufzeigen, wie die Chancen für eine Karriere stehen. Dies sind zum einen die Technik beim Schwimmen und zum anderen das Laufen. Ich erinnere mich noch an einen Jugendcup im Kraichgau, als ich das erste Mal Lasse Priester (Vierter des WTCS-Rennen in Hamburg 2021 und Sieger des Weltcups in Karlsbad 2021, Anm. d. Red.) habe laufen sehen. Ich habe damals Carsten Krömer (Landestrainer der Schleswig-Holsteinischen Triathlon-Union, Anm. d. Red.) gefragt: Wer ist dieser Bursche? Und Carsten meinte: Der wird euch noch viel Freude bereiten.

Was man rausgehört hat: Erfolge müssen in jungen Jahren noch gar nicht da sein?

Meiner Meinung nach ist es nicht förderlich, wenn eine Athletin oder ein Athlet zu früh zu gut ist. Es ist viel besser, wenn Talente im Junioren-Alter merken, dass für sie im Triathlon etwas möglich ist und motiviert in den U23-Bereich einsteigen, als wenn sie in der Jugend alles dominieren und plötzlich die anderen an ihnen vorbeiziehen.

Im Idealfall nehmen junge Athletinnen und Athleten im Juniorenalter zwei Jahre in Folge an internationalen Meisterschaften teil. Im ersten Jahr, um zu lernen; im zweiten Jahr mit einem ganz guten Ergebnis. Wenn sie sich dann noch einen Kaderstatus für das erste Jahr in der Elite sichern, sind sie auf einem guten Weg.

Aus diesem Grund ist Deutschland auch eine von nur zwei oder drei Nationen, die nicht an der Jugend-EM teilnimmt.

Wir wollen unsere Athletinnen und Athleten nicht zu früh international starten lassen, sondern ihnen dieses Highlight für den Juniorenbereich aufheben. Das hat vornehmlich Motivationsgründe und soll verhindern, dass zu früh zu viel Druck entsteht.

Auf den Juniorenbereich folgt die U23- beziehungsweise die Eliteklasse. Wie schwer ist der Übergang?

Beim Übergang vom Nachwuchs- in den Elitebereich gibt es zwei große Herausforderung. Die Athletinnen und Athleten müssen zum einen große Leistungssprünge vollbringen, um im Elitebereich mithalten zu können. Das dauert oftmals ein paar Jahre. Schließlich tritt man nun gegen zehn oder mehr verschiedene Jahrgänge an und nicht mehr nur gegen zwei. Da kann es schon einmal passieren, dass es in den ersten Continental-Cup-Einsätzen nur zu Rang 25 oder 30 reicht. Das kann durchaus demotivierend sein, wenn die Sportlerinnen und Sportler merken, wie weit der Weg bis nach oben noch ist. In dieser Zeit darf man den Glauben an sich selbst nicht verlieren.

Und zum anderen?

In diesen Zeitraum fallen oftmals Veränderungen im persönlichen Umfeld der Athletin beziehungsweise des Athleten. Die Sportlerinnen und Sportler müssen sich entscheiden, ob sie Triathlon weiterhin auf einem höchst professionellen Niveau betreiben wollen. Entscheiden sie sich dafür, folgt die Frage, welchen Weg sie gehen wollen beziehungsweise gehen können. Ist eine Förderung, beispielsweise über die Sportfördergruppe der Bundeswehr, möglich? Oder wollen sie studieren und können von ihren Eltern finanziell unterstützt werden? Fällt die Wahl auf ein Studium, muss auch der Studienort als Trainingsort geeignet sein, also Trainerinnen und Trainer sowie Sportstätten verfügbar sein.

Sehr positiv ist, dass wir mit Blick auf die vergangenen Jahre feststellen, dass sehr viele junge Athletinnen und Athleten einen der aufgezeigten Wege gehen und versuchen, über Continental-Cup-Rennen den Weg Richtung Weltspitze einzuschlagen.

Als Bundestrainer bist du nicht täglich im Austausch mit den Athletinnen und Athleten. Inwieweit berätst du junge Sportlerinnen und Sportler bei ihrem Werdegang?

Ich bin regelmäßig im Austausch mit den Athletinnen und Athleten, gerade was die Frage angeht, wie es nach dem Schulabschluss weitergeht. Wir unterhalten uns in solchen Gesprächen darüber, was sie gerne studieren wollen, wo sie hinwollen. Wenn mir dann eine Athletin sagt, ich möchte gerne Studium X am Trainingsort Y aufnehmen, dann schicke ich ihnen die Telefonnummer von einem Athleten oder einer Athletin, die diesen Weg schon gegangen ist. So können sie sich untereinander austauschen und sich ihr eigenes Bild machen.

Im Vorjahr hat die Deutsche Triathlon Union vier von fünf möglichen Goldmedaillen bei den beiden internationalen Meisterschaften im Juniorenbereich gewonnen. Sind solche Erfolge planbar?

Nein. Ich habe mich vor ein paar Wochen hingesetzt und die Ergebnisse der DTU-Leistungstest (Wettkampf über 750 Meter Schwimmen und 5.000 Meter Laufen, Anm. d. Red.), die wir jährlich im Frühjahr machen, der vergangenen zehn Jahr verglichen. Die Ergebnisse weichen nicht großartig voneinander ab, wir haben eine gewisse Breite und ab und zu Ausreißer nach oben und unten. Es gibt Jahrgänge, die etwas stärker sind, Athletinnen und Athleten mit einem außergewöhnlichen Talent, die hervorstechen wie beispielsweise Henry Graf, Lisa Tertsch oder Laura Lindemann. Dies erkennen wir frühzeitig, können es aber nicht planen.

Wie schwierig ist es, vor Ort mit diesen „hervorstechenden“ Athletinnen oder Athleten dann tatsächlich Titel zu gewinnen?

Ich versuche, den Topathletinnen und -athleten vor Ort den Druck zu nehmen. Der ist mitunter durch das persönliche Umfeld und den eigenen Anspruch schon groß genug. Ich weiß natürlich, was möglich sein kann, möchte aber die Erwartungshaltung nicht zu hoch schrauben. Am Beispiel Jule Behrens sieht man, dass auch oft Kleinigkeiten entscheiden. Natürlich wussten wir im Vorfeld der Junioren-WM 2021, dass sie zu den aussichtreichsten Kandidatinnen für einen Medaille gehört, wenn sie im Schwimmen den Zug erwischt. Das hängt dann oft an fünf oder zehn Sekunden (Jule schaffte nach dem ersten Wechsel den Anschluss an die große Gruppe und lief später dann zur Goldmedaille, Anm. d. Red.).

Ich bespreche dann im Vorfeld des Wettkampfes mit der Athletin beziehungsweise dem Athleten und ihrem Heimtrainer verschiedene Herangehensweisen. Und dann gibt es nach dem ersten Wechsel eine kurze Info von mir, wie es aussieht. Den Rest muss dann die Athletin oder der Athlet regeln. Da bin ich recht machtlos.

Was ist einfacher? Junioren-Weltmeisterin beziehungsweise Junioren-Weltmeister zu werden oder es in die Weltspitze zu schaffen?

Junioren-Weltmeisterin beziehungsweise Junioren-Weltmeister zu werden. Danach kann so viel passieren. Verletzungen, ein schlechtes Jahr. Generell kann ich sagen: Etwa 30 Prozent der deutschen Athletinnen und Athleten, die bei internationalen Meisterschaften im Nachwuchs am Start sind, etablieren sich langfristig in der erweiterten Weltspitze.